Budo

Budō (武道) bezeichnet die Summe aller japanischen Kampfkünste, in deren Zentrum die Übung eines Weges (dō) steht. Die Bezeichnung bu (武) steht für das ursprünglich kriegerische Element aus dem bujutsu, während dō (道) die zusätzliche Selbstverwirklichung des Übenden auf einem Weg bezeichnet. Budō kombiniert also die alten Kriegstechniken (bujutsu) mit einem individuellen Übungsweg der Selbstperfektion dō und heißt dementsprechend „Weg der Kampfkünste“ (budō). Entsprechend ist budō eine Übungsmethode, die den Übenden (budōka) dazu anhält, seinen Charakter und seine innere Stärke durch die Übung heranzubilden.

Budō (jap. 武道): Überbegriff für die japanischen Kampfkunstmethoden, die sich unter dem Aspekt des Weges (dō) aus dem bujutsu (Technik des Kriegers) entwickelten. Als tödliche Kampfmethoden haben sich die Techniken des bujutsu über Jahrhunderte hinweg geformt, doch erst durch ihre Verbindung zum zen (Anfang des 17. Jahrhunderts, s. takuan) erhielten sie einen ethischen Inhalt und konnten sich zum budō („Weg des Kriegers“) entwickeln.
Die Übung des Weges, gleich ihrem formellen Aspekt, bringt zwei dem menschlichen Leben innewohnende Tendenzen in den Mittelpunkt der bewussten Erfahrung, in deren gegenseitigem Kampf um Harmonie und Ausgleich sich Persönlichkeit und Reife bildet: der aus dem Bewussten kommende Drang, der Verwirklichung persönlichen Lebens und Wachsens und der Urbedingung des Lebens zur Anpassung und Unterordnung in die natürlichen Umstände. In der Disharmonie dieser Extreme ist die menschliche Existenz wie jede andere bewusste Form des Lebens gefährdet. Die Übung des Weges gründet die innere Voraussetzung zum Wachsen und zum Reifen. Sie verdeutlicht und löst die in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens rückenden Probleme des modernen Menschen, die zu einer akuten Gefahr in den Gesellschaften geworden sind. Sie lässt den Menschen durch Selbsterkenntnis die beiden Extreme seiner naturgebundenen Bestimmung erkennen, in denen sich die Möglichkeiten seiner Existenz abspielen: Streben und Achten.

Die Erkenntnis über die Existenz dieser Gegenpole im Menschen entstand aus der tiefgehenden Überlegung der alten Meister, deren Ziel es war, sich durch die Übung der Kampfkünste von der grundlegenden Angst vor dem Tod (Budō-Psychologie) zu befreien. Sie erkannten, dass das Töten, wie es im alten bujutsu gelehrt wurde, dieses Problem nicht zu lösen vermochte, und so fanden sie in der angewendeten Philosophie des zen das Mittel, ihr Ziel zu erreichen. Sie beendeten den Kampf gegen ihre Gegner und richteten ihn gegen das eigene Ich (shin budō). Darin besteht auch heute noch der große Wert des budō für seine Übenden (budōka).

Indem die Meister dieselben Methoden, die sie gegen ihre Gegner anwendeten, gegen sich selbst richteten, entstand aus einer tödlichen Kampfkunst eine Kunst des Lebens. Die harte Übung wurde zum Mittel, die körperlichen und geistigen Grenzen herauszufordern und den Menschen dadurch von seiner Gefangenheit im eigenen Ich zu befreien, die dem Ungeübten die klare Sicht des Lebens verwehrt und ihn im Vorurteil des Rechtbewahrens grundlegende Fehler machen lässt. Die Übung des budō kann unter der Aufsicht eines Lehrers (sensei) und unter Beachtung der Gesetzmäßigkeiten der Budōlehre (oshi) den Menschen ins Gleichgewicht zu sich selbst und zu seiner Umwelt versetzen. Durch Selbstdisziplin, Treue und Hingabe (dōjōkun) in die Tiefen der Erfahrung, die als die wichtigsten Voraussetzungen zur Übung des Weges (dō) gelten, kann er in der Übung lernen, sich selbst zu erkennen und selbst zu kontrollieren. Lehnt er diese Lernvoraussetzungen, die für das objektive Bewusstsein unwahrnehmbar im Hintergrund jeder Budōbeziehung (shitei) existieren müssen, jedoch ab und sucht in der Übung des budō statt dessen die Befriedigung des Ich, wird er nie etwas finden. Die Entwicklung wirkungsvoller Techniken in der Übung führt nur dann zum Fortschritt, wenn die Konfrontation mit dem eigenen Ego unter Beachtung der grundsätzlichen Verhaltensregeln (sahō) stattfindet. Durch selbstdisziplinierte Strenge gegen sich selbst und durch die wiederholte Herausforderung seiner eigentlichen Schwächen kann er lernen, wie man elementare Angst überwindet und Persönlichkeit formt. Dazu braucht er hauptsächlich eine innere Haltung der Bekenntnis. In der körperlichen Übung allein (shōsa), ohne die strikte Beachtung der Regeln, verliert die Übung des budō ihren Wert.

Disziplinierte Arbeit an sich selbst muss von einem Lehrer gelenkt werden und darf nicht der Beurteilung des Übenden ausgesetzt sein, weil der Schüler (deshi) durch sein Ich urteilt. In einer solchen Verbindung kann der Übende wachsen und im Laufe der Zeit Qualitäten entwickeln, die ihm im Alltag von Nutzen sein werden.

Der Budō-Wege gibt es viele in Asien, doch sie haben alle das gleiche Ziel: sie lehren den Menschen, seine eigenen inneren Zusammenhänge zu verstehen und sich durch Übung zu vervollkommnen. Jeder einzelne dieser Wege hat seine eigene Technik (waza) entwickelt und hält den Menschen dazu an, seinen Geist (shin) und seine vitale Kraft (ki) zu entdecken. Das Ziel jeder Wegübung ist immer der ganze Mensch. Auf dem Weg zu einem solchen Ziel gibt es drei wichtige Übungskomponenten, die nur im Gleichgewicht zueinander Fortschritt gewähren: waza, die Übung der Form, shin, die Übung der geistigen Haltung, und ki, die Übung der vitalen Kraft.

Artikel aus: Lexikon der Kampfkünste von Werner Lind